Beim Schweife des Kometen
Heute hat es 67P/Tschurjumow-Gerasimenko mit einer beeindruckenden Nahaufnahme auf die Seite Astronomy Picture of the Day geschafft. Der Komet dürfte auch in den kommenden Wochen und Monaten in den Nachrichten präsent bleiben. Da ist man Wissenschaftsjournalist gut beraten, sich mit Kometen generell etwas vertrauter zu machen. Denn wenn die Sonde Rosetta weiterhin so zuverlässig arbeitet, ist mit einer Fülle neuer Erkenntnisse zu rechnen, die eingeordnet werden müssen.
(Foto: ESA / MPS) |
Ein gängiges Muster, das ich dabei vermeiden möchte, ist die Gegenüberstellung von "Aberglaube" und "Wissen": Früher hätten die Menschen Kometen als Zeichen kommenden Unheils gesehen, aber heute wüssten wir es besser -- das erscheint mir dann doch ein bisschen zu simpel. Eine solche Sichtweise verkennt die ästhetische Dimension der Schweifsterne. Auch ohne ihnen eine Bedeutung als Himmelsboten beimessen zu müssen, bleiben sie Synkopen im gleichmäßigen Beat der himmlischen Rhythmen. Sie sorgen für Spannung und erinnern daran, dass es beim geordneten Tanz der Himmelskörper immer wieder auch Überraschungen geben kann.
Solche Überraschungen sind selbst in wissenschaftlich aufgeklärten Zeiten nicht ausgeschlossen: Was muss das für einen gewaltigen Eindruck gemacht haben, als am Abend des 30. Juni 1861 plötzlich ein riesiger Komet den Nordhimmel beherrschte, so hell, das sein Licht Schatten warf, und mit einem Schweif, der sich vom Großen Wagen bis zum Sternbild Kassiopeia erstreckte! Der Komet C/1861 J1 (Tebbutt) hatte sich aus südlicher Richtung genähert, auf einer Bahn fast senkrecht zur Erdumlaufbahn, und war von der Nordhalbkugel erst von dem Moment an sichtbar, als er die Erdbahn kreuzte. Die australischen Zeitungen, die von der Entdeckung des Kometen berichteten, waren zu diesem Zeitpunkt noch mit Schiffen unterwegs nach Europa und Amerika. Stefan Krause gibt ihm zu Recht den ersten Platz auf seiner imponierenden Hitliste der zehn größten Kometen der Geschichte.
Ich selbst habe bisher nur einen Kometen mit bloßem Auge gesehen. Das war Hale-Bopp (C/1995 O1), der sich im Jahr 1997 sogar am Nachthimmel einer Großstadt wie Hamburg deutlich abzeichnete. Ich kam an einem Sportplatz vorbei, auf dem keine Lichter brannten, und blieb einen Moment stehen. Im Verlauf eines Menschenlebens gibt es nur sehr wenige Gelegenheiten, einen solchen Anblick zu erleben. Ich war in diesem Augenblick sehr glücklich, zumindest einmal einen Kometen gesehen zu haben.
Vielleicht kommen in den nächsten Jahren ja noch welche hinzu. Das 20. Jahrhundert war vergleichsweise arm an Kometenerscheinungen, da besteht ein wenig Hoffnung auf Ausgleich in diesem Jahrhundert. Vorerst wird aber 67P/Tschurjumow-Gerasimenko für Aufsehen sorgen. Spannend wird es, wenn im November das Landegerät Philae auf der Oberfläche abgesetzt werden soll. Spannend wird es auch, das Erwachen des Kometen bei seiner Annäherung an die Sonne im Verlauf der nächsten zwölf Monate zu verfolgen. Halt durch, Rosetta, und schick uns noch viele Bilder und Daten!